Unwetterartige Starkschneefälle im südlichen Westerwald

vom 15.12. bis 20.12.2010

big 20248845 0 450 337

Nachdem es bereits im Februar des Jahres 2010 zu sehr starken Schneefällen in unserer Region kam, sorgten auch im Dezember 2010 wiederholte und auch für den gesamten Westerwald ungewöhnlich heftige Starkschneefälle für ein wahres Schneechaos. Für die Starkschneefälle verantwortlich war ein komplexes Tiefdrucksystem, welches vom meteorologischen Institut in Potsdam auf den eher unscheinbaren Namen „Petra“ getauft wurde.

„Petra“ hatte es aber wahrlich faustdick hinter den Ohren und teilte sich im Laufe ihres Tiefdruckdaseins in insgesamt vier Tiefdruckteilkerne auf, welche uns über viele Tage beschäftigen sollten. Die Geburt des mächtigen Tiefdruckkomplexes ging aus einem mächtigen Kaltluftkörper, welcher sich in einer Höhe von 5.500m mit bis zu -46°C kalter Luft vom Polarmeer kommend über das Nordmeer bis nach Nordwesteuropa ausbreitete, hervor. Die extrem kalte Luftmasse war dann der Auslöser für die dann folgenden Starkschneefälle. Denn je größer die Temperaturunterschiede zwischen Oben (also in 5.550m Höhe) und Unten ist, desto heftiger fallen die Wettererscheinungen aus. Zusätzlich traf die Kaltluft auf ihrem Weg nach Süden auf milde Mittelmeerluft über Frankreich und dem Süden Deutschlands. Hierdurch wurde die Bildung kleiner Randtiefs, gefördert, die durch das Aufeinandertreffen von warmen und kalten Luftmassen sehr niederschlagsträchtig waren. Das Ergebnis dessen, konnten wir dann in weiten Teilen von Westdeutschland und damit auch in unserer Region zwischen Mitte und Ende Dezember live miterleben. Im folgenden Abschnitt möchte ich auf die Wetterentwicklung im südlichen Westerwald zwischen dem 15. und 20 Dezember näher eingehen.

 

Wetterlage am Mittwoch, den 15.12.2010

20248935

(Quelle: www.wetterzentrale.de)

Am Mittwoch, den 15.12.2010 herrschte in weiten Teilen Deutschlands und damit auch in unserer Region noch überwiegend ruhiges Hochdruckwetter. Bei leicht dauerfrostigen Werten von um die -2°C gab es eine Mischung aus Wolken, Sonne und etwas Nebel bei einer noch sehr verhaltenen Schneehöhe von knapp 5cm. In der Nacht zu Donnerstag kühlte es dann bei wenigen Wolken auf frostig kalte -10°C ab, direkt über der dünnen Schneefläche war es sogar noch ein Stück kälter.

 

Wetterlage am Donnerstag, den 16.12.2010

20248955

(Quelle: www.wetterzentrale.de)

Am Donnerstag selbst herrsche anfänglich noch die Ruhe vor dem Sturm, bzw. der ersten „Schneebombe“ von Tief „Petra“. Am Vormittag gab es noch ein paar Aufhellungen, rasch zog es sich aber aus Westen mit kompakten Wolken zu und ab dem frühen Nachmittag setzten länger anhaltende Starkschneefälle ein, welche bis etwa Mitternacht andauern sollten. In der absoluten Spitze fielen dabei etwa 5cm Neuschnee in der Stunde! Innerhalb von nur 9 Stunden fielen zwischen 15cm Neuschnee im Raum Limburg und bis zu 25cm Neuschnee in den Staulagen des Westerwaldes. Doch die enormen Schneemengen in kurzer Zeit waren nicht das einzigste Problem. Bei Höchstwerten von nur -4 bis -1°C fiel zumeist lockerer Pulverschnee, welcher aufgrund stürmischer Windböen stark verwehte. Folglich kam es ab den Abendstunden zu ersten Straßensperrungen im Westerwald, weil freiliegende Straßenabschnitte aufgrund meterhoher Schneeverwehungen unpassierbar waren. In Hangenmeilingen fielen an diesem Tag gut 20cm Neuschnee, was zu einer Gesamtschneehöhe von 20 bis 25cm führte. Dieses war der erste Streich von „Petra“, der zweite sollte in der Nacht vom Freitag den 17.12. auf Samstag den 18.12.2010 folgen.

 

Wetterlage am Freitag, den 17.12.2010

20248977

(Quelle: www.wetterzentrale.de)

An einem weitgehend ruhigen Freitag mit Wolken etwas Sonne, ein paar Schneeschauern und leichtem Dauerfrost konnten die Straßen von den Schneemassen befreit werden und einige Straßensperrungen bereits wieder aufgehoben werden. Nach Mitternacht setzte mit einem neuen, etwas schwächeren Randtief aus Westen neuerlich Starkschneefall ein. Bis Samstagfrüh produzierte dies in Hangenmeilingen knapp 10cm Neuschnee, so dass die Gesamtschneehöhe auf um die 30cm anwuchs.

 

Wetterlage am Samstag, den 18.12.2010

20248990

(Quelle: www.wetterzentrale.de)

Das gleiche Spiel mit einem nahezu identischen Wetterablauf spielte sich dann am Samstag, den 18.12.2010 ab. Zunächst war es wieder recht freundlich ehe sich die Wolken am Nachmittag verdichteten und nachfolgend aus Westen neuerlich mäßige bis starke Schneefälle einsetzten, die zwischen 21.00 abends und 03.00Uhr nachts zwischen 5 und 10cm Neuschnee brachten.

Am Sonntagmorgen konnten dann bereits runde 35cm Gesamtschneehöhe gemessen werden. Zählt man die gefallenen Neuschneesummen zusammen, wäre man bereits zu diesem Zeitpunkt auf eine Schneehöhe von runden 50cm gekommen. Da es sich aber nahezu ausschließlich um Pulver- bzw. Pappschnee handelte, enthielt die Schneedecke auch einiges an Luft, welche mit der Zeit aus der Schneedecke entwich und diese sich zunehmen setzten und verfestigen konnte.

 

Wetterlage am Sonntag, den 19.12.2010

20249000

(Quelle: www.wetterzentrale.de)

 

Am Sonntag, den 19.12.2010 setzte „Petra“ dann zum großen Finale an. Erneut wurden die Wolken nach anfänglichen Auflockerungen aus Westen rasch dichter. Am frühen Nachmittag setzten über einen Zeitraum von etwa 6 Stunden unwetterartige Starkschneefälle ein, welche in den Intensitäten noch stärker waren als am vorangegangenen Donnerstag. An der Hangenmeilinger Messstation wurde eine Stundensumme von knapp 8cm registriert, wobei insgesamt nochmals zwischen 20 und 25cm Neuschnee zusammenkamen.

Die Straßenzustände waren chaotisch, viele Straßen im Westerwald waren neuerlich durch Schneeverwehungen unpassierbar, viele Nebenstraßen aufgrund der enormen Schneemassen nur noch einseitig befahrbar. In zunehmendem Maß litten auch die Bäume unter der Schneelast und knickten um. Im Kreisgebiet mussten die Feuerwehren ausrücken um vor allem Flachdächer von den gewaltigen Schneemassen zu befreien, da hier eine erhöhte Einsturzgefahr bestand. Betroffen waren vor allem Schulen, Sporthallen und Mehrzweckhallen.

In Hangenmeilingen fielen an diesem Tag je nach Messuntergrund zwischen 21 und 24cm Neuschnee, so dass am späteren Abend, nachdem die unwetterartigen Starkschneefälle abgezogen waren, eine gesamtschneehöhe von 53cm registriert werden konnte. Dieser Wert stellt einen neuen absoluten Rekord für unseren Ort dar. Im Westerwald lag die Gesamtschneehöhe zwischen 60 und 90cm. Hier wurden indes keine neuen Rekordwerte gemessen, wenngleich auch diese Werte sind, die im Schnitt nur alle 10 Jahre dort vorkommen. Nun einige Bilder, die das Schneechaos an diesem Tag verdeutlichen sollen:

20249037

Auch auf Hausdächern gab es beachtliche Schneeverwehungen

 

20249059

Die "Schneeberge" wachsen und wachsen

 

20249068

Schneemassen auch am Straßenrand. Viele Nebenstraßen waren nur noch einseitig befahrbar

 

20249094

Im Licht der Straßenlaterne wirken die unwetterartigen Starkschneefälle gespenstisch schön

 

20249104

Die Weihnachtsbeleuchtung versinkt im Schnee

 

20249128

Der Platz wird so langsam knapp

 

20249143

Wenn die "Schneeberge" so hoch werden wie Bäume, dann ist es ein besonderes Ereignis

 

20249306

Die Konturen der Autos waren nur noch schemenhaft zu erkennen

 

20249316

"Schneemauern" am Straßenrand

 

 

Wetterlage am Montag, den 20.12.2010

20249007

(Quelle: www.wetterzentrale.de)

 

 

In der Nacht von Montag auf Dienstag, den 21.12.2010 kam es dann nochmals zu leichten bis mäßigen Schneefällen mit einer Gesamtneuschneesumme von 5 bis knapp 10cm, da sich der Schnee am Tage durch leichtes Tauwetter jedoch deutlich gesetzt hatte, wurde die neue Bestmarke nicht mehr übertroffen.

 

20249330

Der Höhepunkt des Schneechaos im Dezember 2010

 

20249337

Ein Beispiel, wie die Bäume unter der enormen Schneelast litten

 

20249351

Meterhohe Schneeverwehungen, die die Dächer auf eine harte Probe stellten

 

Am Ende stellt sich natürlich die Frage, inwieweit es sich hierbei wirklich um ein besonderes Wetterereignis gehandelt hat? Die Frage lässt sich insofern mit einem klaren Ja beantworten, weil in den vergangenen 60 Jahren in unserer Region nicht solche Schneehöhen registriert werden konnten. Einige von uns werden sich vielleicht an die Schneekatastrophe zum Jahreswechsel 1978/ 1979 erinnern, wo weite Teile Norddeutschlands unter einer teils über 100cm dicken Schneedecke verschwanden. Im Westerwald gab es zu damaligen Zeitpunkt jedoch weitaus weniger Schnee als im Dezember 2010, weil die Front hier damals nicht über mehrere Tage verweilte, sondern rasch nach Süden abzog. Doch nicht nur von den Schneehöhen, sondern auch von den Intensitäten der Schneefälle war dies ein wirklich seltenes Ereignis. Starkschneefälle mit Stundensummen von teils über 5cm und das über einen Zeitraum von mehreren aufeinanderfolgenden Stunden kommen sonst nur im Alpenraum vor, nicht aber in den unteren Mittelgebirgsregionen.

Es ist in Zeiten des Klimawandels auch fraglich, ob wir überhaupt nochmal auch nur in die Nähe eines solchen Ereignisses kommen, die Wahrscheinlichkeiten hierfür sinken von Jahr zu Jahr, wenngleich auch in Zeiten des Klimawandels nichts unmöglich sein sollte, dies haben uns schon einige Beispiele gezeigt.